Mein Großvater veredelte im Garten meines Onkels in den 1950er Jahren einen Pflaumenbaum, auf dem daraufhin nicht nur Pflaumen, sondern auch Mirabellen und Reineclauden (Ringlotten) wuchsen.
Wir Kinder nannten den Baum fortan den "Wunderbaum" und staunten jedes Jahr aufs Neue über das Fruchtwunder, das sich dort ereignete.
Ich mochte die Reineclauden am liebsten, allein der Farbe und Form und des Geschmacks wegen, aber auch, weil sie etwas Außergewöhnliches waren. Kaum jemand hatte Reineclauden im Garten und dann war da auch noch der Name, von dem ich wusste, dass er von einer französischen Königin herrührte. Die Edelpflaume beflügelte natürlich die Fantasie kleiner Mädchen...
Wie ich in einem meiner Kochbücher gelesen habe, soll der Anbau dieser Früchte sehr kompliziert sein, weil diese Obstsorte viel Wärme und einen nicht zu schweren Boden benötigt.
Die Königin, nach der die Frucht benannt ist, lebte übrigens um 1550 in Frankreich. In meiner Fantasie trägt sie ein ringlottenfarbenes Samtkleid mit weißer Halskrause.
Die neun Früchte mit Stein, der an einen Mirabellenstein erinnert, gehören offenbar der Sorte „Goldene Reineclaude“ an, denn sie sind fast grün. Diese Fruchtkugeln schwimmen in einem nur leicht gezuckerten Einkochsaft und können zunächst im achteckigen Glas mit schwarzem Schraubverschluss bewundert werden.
Am besten schmecken die Früchte zu Walnusseis, einer Delikatesse, die man mit Bedacht genießen sollte. Die leicht säuerliche Note harmoniert sehr gut zu diesem Eis mit karamellisierten Walnüssen und eignet sich als feiner Abschluss für ein spätsommerliches Menü, dessen Hauptgang ein Wildschweinragout oder auch ein Hasenfilet sein könnte.
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